Gestern, es war schon recht spät, rief mich ein Kollege an. Es war Horst (Name geändert, obwohl er sich gern zu diesem macht) und er wollte vorbeikommen um irgendwas zu bequatschen. An seiner Tonlage konnte ich erkennen das es etwas dringender war bzw. Irgendwas mit ´ner Frau zu tun hatte. Ok. Ich hatte gestern nichts vor und somit sagte ich er solle vorbeikommen. Zu Horst gibt es soviel zu sagen, das er von einer Tragödie in die nächste fällt. Irgendwie dabei aber immer noch gut drauf ist. Ein typischer Männerabend mit Geschichten aus dem Leben begann. Nach ein paar Stunden fing Horst dann an aus dem Nähkästchen zu plaudern. Eine neue Flamme war Teil seiner Tagträume. Er kennt sie jetzt schon seit dem Gallimarkt und hat sie letzte Woche persönlich getroffen. Eine Verabredung wie man sie sich nur wünschen konnte. Zusammen mit dem Reinigungspersonal haben sie irgendwann das Bistro verlassen, was ja auch dafür spricht, das irgendwo beiderseitig auch Sympathie vorhanden war. Noch am selben Wochenende rief Horst die Frau, die ihm scheinbar den Verstand genommen hatte, an um ein neues Treffen zu vereinbaren. Horst´s Augen glänzten als er mir das alles erzählte. Er machte eine Pause und steckte sich eine Zigarette an, ließ sich in den Sessel zurücksinken und genoss die scheinbare Ruhe. Ich machte das Fenster auf und war froh das es draußen noch nicht frierte. Selten hatte ich Horst so erlebt. Wenn ich diesen Zustand beschreiben müsste… Ich wüsste es nicht. Wie das halt so aussieht, wenn jemand über beide Ohren verliebt ist. Alles kunterbunt und supertoll. Egal ob das die Milch im Kaffee war oder die Mücken, die vermehrt durch das offene Fenster hineinstürmten. Alles war toll. Ich war aber auch irgendwie gespannt wie es weiter geht mit seiner Geschichte. Nach der Zigarette ging es dann auch weiter mit seinen Ausführungen. Es gab dann wohl die Woche drauf ein zweites Treffen im gleichen Bistro. Nur das dieses diesmal wohl nicht so lange gedauert hat. Seine Flamme musste am nächsten Tag früh hoch. Aber auch bei diesem Treffen, so sagte er, wäre alles so romantisch gewesen. Ich fing langsam schon an, Horst etwas zu beneiden. Sagen wir mal so, seine Ausführungen waren sehr plastisch. Zwischendurch musste ich mich dagegen wehren in den Arm genommen zu werden. Tja, Männer unter sich. Es dauerte wohl keine zwei Tage und die Sehnsucht wurde zu groß und Horst stellte wieder Kontakt her. Diesmal per Telefon und nicht per sms. Wie Horst so am erzählen war, konnte ich die prickelnde Stimmung fast selbst spüren. Es war wohl so, meinte er, das beide irgendwie das Bedürfnis hatten sich an dem Tag noch zu treffen. Es war an dem Tag schon spät, aber wie das so ist war die Uhrzeit egal. Horst machte sich auf den Weg und es wurde sich auf fast halber Strecke getroffen. Wieder ein Abend voller unterdrückter Gefühlsexplosionen. Ich erkannte jetzt das Dilemma. Er war auch sehr schüchtern. Ich bin jetzt bestimmt nicht der Typ der sehr viel anders ist, aber so eine lange Leitung war schon etwas nervig. Auch für mich als Zuhörer. Man erwartet ja auch irgendwie in diesem Handlungsstrang gewisse Höhepunkte. Es klingelte an der Tür. Das musste der Pizzamann sein. Wie immer Hawaii für mich und für Horst eine ganz seltsame Mischung zwischen vier Jahreszeiten und Spinat – Tonno. Den Gedanken beim Anblick seiner Pizza dachte ich nur, das es sich so oder so ähnlich auch bei Schwangeren verhalten muss. In diesem Fall klang Gewürzgurke mit Nutella noch etwas harmloser. Es schmeckte aber uns beiden. Ich ging nochmal Bier holen. Horst rauchte währenddessen eine. Mit ein paar Flaschen Bier in der Hand kam ich auf dem Rückweg glaube ich in ein schlechtwetter Gebiet. Es war aber Horst der aus lauter Nervosität sich die eine mit der anderen ansteckte. Das bedeutete das ich jetzt die Blumen von der Fensterbank räumen konnte um das Fenster komplett zu öffnen und einen Druckausgleich zu provozieren. Der Nebel löste sich langsam auf, ich machte das Fenster zu und als die Temperatur langsam wieder die 10° Marke erreichte, führten wir den „gemütlichen“ Abend weiter. Gespannt auf das was da noch kommen könnte, lauschte ich seinen weiteren Ausführungen. Es lief danach wohl so ab, das nach diesem spontanen, letzten Treffen ein nächstes zum Kino gucken und dann noch ein weiteres zum Disco Besuch verabredet wurde. Ich konnte sehen wie die verliebte Stimmung aus Horst seinem Gesicht verschwand. Es muss sich wohl so zugetragen haben das die beiden einen guten Film im Kino gesehen haben, spannend halt. Alles war wie aus dem Lehrbuch, wenn es für so was ein Lehrbuch gibt. Nach dem Kino ein gemütliches Pub gefunden und da auch wiedermal mit dem Personal den Laden verlassen. Nur diesmal hat Horst seinen Gefühlen Luft verschafft. Ok. Auch erst nach Stunden des verkrampften Entspannens. Ich genoss seine Beschreibungen, wie gut er sich in ihrer Nähe fühlte, einfach, wie verliebt er war. Ich war fast ein wenig neidisch. Aber um mich ging es nicht. Horst hatte was auf dem Herzen und ich war mittlerweile so betrunken das ich sogar ohne meine gemeinen Kommentare zuhören konnte. Wer mich kennt, weiß was ich meine. Es sprudelte aus Horst jetzt nur so heraus. Die Situation konnte er gut beschreiben, so gut das ich fast selbst einen Kloß im Hals stecken hatte. Und der wurde nicht kleiner. Es war wohl so das Horst sich ab einem gewissen Zeitpunkt gesagt hat, das er dieser Frau, die jetzt schon so lange die Kneipe mit ihm allein teilte, auf jedem Fall sagen wollte was er für sie empfindet. Und so war es dann auch. Frodo zog aus um den Ring der Ringe im Schicksalsberg zu versenken. Nur diese Geschichte hat ein Happy End! Unwahrscheinlich gerührt von seinen Ausführungen war seine Begleitung, aber es kamen prompt Erklärungen zurück, die Horst so gar nicht mehr wiedergeben konnte. Er meinte nur, das sie etwas mehr Zeit braucht als 2 Wochen um sich zu verlieben. Schluck! Ich versuchte irgendwo noch einen Plot zu erkennen, da Horst auch vom Hundertstel ins Tausendstel kam. Wie Männer dann in so einer Situation sind, wird sich nicht in den Arm genommen, sondern noch mal geprostet, Horst rauchte noch eine und ich versuchte mein Gähnen zu unterdrücken. Natürlich machte ich mir schon meine Gedanken. Gedanken mit Inhalten wie, wie lange man braucht um sich zu verlieben, ob das sofort geschieht oder ob sich so was entwickelt. Wenn man jetzt zwei hat die man einfach zusammenstecken würde und zum Beispiel verheiraten würde. Die beiden könnte sich vielleicht gar nicht ausstehen. Aber bestimmt nach zehn oder zwanzig Ehejahren würden beide sagen, das sie verliebt sind. Aber schön ist das nicht, find ich. Was ist aus der „Liebe auf den ersten Blick“ geworden? Vielleicht ist es ja auch so, das eine Frau, die im Hinterkopf vielleicht noch ihren Fortpflanzungstrieb hat, irgendwie vorgeht wie bei „Deutschland sucht den Superstar“. Es wird gemustert. Wäre er auch der richtige für meine Kinder? Wäre er der, mit dem ich nachher die Hauskrankenpflege erwarten möchte? Möchte ich mit ihm alt werden? So was halt! Horst war noch immer mit seinen Zigaretten beschäftigt. Aber seine Zigaretten verpufften nicht nutzlos in Rauch. Nein. Jede hatte sozusagen noch die Aufgabe die Nächste anzuzünden. Er war schon wirklich fertig. Hielt sich aber noch sehr gut. Eines fehlte ja noch. Der Tag in der Disco. Ich vermutete die Position von Horst nur noch anhand seiner Stimme. Sehen konnte ich ihn nicht mehr. Noch immer Fertig von dem Ergebnis des Kinoabends war am nächsten Tag ein Discoabend angesagt. Weitsichtig hatte Horst schon früh gesagt das ihm das Tanzen nicht so liegen würde. Er wäre mehr so der Tänzer für sich allein. Genau wie die Popstars die nie entdeckt werden, weil sie sich nur trauen unter der Dusche zu singen. Was hätten wir für eine Musikvielfalt wenn alle „Dusch-stars“ in den Charts wären. Sie fuhren an diesem Abend gemeinsam zu einer guten Freundin von der Frau, die ihm sein Herz gestohlen hatte. Der Weg dahin war begleitet von solch einer schrecklichen Distanz, erzählte Horst. Ich bekam durch die
Erzählung von Horst fast schon wieder einen Kloß im Hals. Es lag laut Horst daran, das sie ihm am Abend vorher gesagt hatte, sie bräuchte Zeit um sich in jemand zu verlieben. Es waren einige Kilometer zu fahren, von denen die meisten durch Schweigen begleitet wurden. Horst hoffte zu diesem Zeitpunkt noch auf irgendein Zeichen das ihn in seinem Handeln bestärken würde, aber Nix. Endlich, nach langer redloser Fahrt angekommen, ging es an das Warm up. Stimmung wurde erzeugt. Verschiedene Mittel kamen zum Einsatz. Eins der gewichtigsten war die PSII mit dem Singstar. Horst sah seine Felle davonschwimmen. Gerade er, der zwar der Typ war der allein tanzte, aber sich nicht einmal gern allein singen hört, sollte gleich Charthits ins Mikro trällern. Ein letzter Blick verriet ihm das es wohl so schnell kein Entrinnen gäbe. Für eine plötzliche Migräne war es zu spät und die Magenkrämpfe, die er tatsächlich hatte, würde man ihm auch nicht abnehmen. Mitgehangen, mitgefangen. Zumindest war er nicht der erste. Durch die Einfachheit des Singstar-Prinzips und des guten Ergebnis des Ersten Sängers angesteckt, legte Horst jetzt los. Nichts geringeres als der Punk-Klassiker von „The Clash“ musste es sein und Horst Gedankenwelt beschränkte sich beim Singen auf den Sinn des Textes: „Sould I stay, or should I go?“ Er blieb und es ging nach weiteren peinlichen Nummern endlich in die Disco. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als ich mir vorstellte wie Horst da mit 2 hübschen Frauen auf dem Sofa saß und von Cat Stevens das „Father and Son“ mit nur einer Tonlage gesungen hatte. In der Disco war es ähnlich einer Achterbahnfahrt. Mal konnte man Horst wohl die schlechte Laune ansehen, mal konnte er sie gekonnt unterdrücken, mal war er wirklich gut drauf. Gegen Ende des Abends mehrten sich die Augenblicke an denen er gut drauf war. Vergessen war sein Singstar Auftritt. Es wurde halt noch richtig Party gemacht und auf Bitten der Beiden Schönen an seiner Seite wurde der Abend dann auch irgendwann beendet, Horst brachte eine nach der anderen nach Haus, wobei die lange Fahrt zurück noch ruhiger zuging als die Hinfahrt. Wieder angekommen, Gute Nacht, Schlaf gut, Wir melden uns. Jetzt konnte ich Horst verstehen, warum er umbedingt jemanden brauchte um zu reden. Um seinen Gefühlen Luft zu verschaffen. Pfummp! Ein letztes Bier für diesen Abend. Vielleicht versteht man jetzt auch warum ich gerade den Namen „Horst“ als Synonym für meinen Kollegen genommen hab. Für gute Tipps à la „Dr-Love“ war es schon zu spät. Ich war nicht mehr in der Lage gute Tipps zu geben, wobei ich mir sowieso nicht sicher bin, ob ich nüchtern gute Tipps gegeben hätte. Horst rauchte noch seine Zigarette auf und machte sich dann auch auf den Weg. Es war nicht notwendig das ich ihm irgendwo Ratschläge gab. Es war einfach nur gut das ich ihm zugehört hab. Ich sagte zu Horst, machs gut und wart einfach mal ab. Mit diesen Worten und einer spannenden Geschichte ging ich ins Bett und war froh das irgendwann auch das Schaukeln aufhörte. Gute Nacht und einen schönen Sonntag.